Die schlaffe Lähmung
Begriffserklärung
- Lähmung ist die Unfähigkeit, eine gezielte, bewusste Bewegung (Gelenkfunktion) durch Einsatz von Muskulatur auszuführen.
Allgemeiner Aufbau des Nervensystems
- Zentrales Nervensystem (ZNS): Gehirn, Rückenmark
- Peripheres Nervensystem (PNS): Nervenwurzeln, Nerbvenbahnen, Sinneszellen
Lokalisation
- Zentrale Schädigung (Gehirn)
- Spinale Schädigung (Rückenmark)
- Radikuläre Schädigung (Nervenwurzel)
- Periphere Schädigung (periphere Nervenbahnen)
Begriffserklärung
- Teillähmung: Parese
- Totallähmung: Paralyse
Lähmungsformen
- Monoplegie: eine Extremität
- Paraplegie: beide Beine
- Hemiplegie: eine Körperhälfte
- Tetraplegie: alle vier Extremitäten
1. Die Peronaeusparese
- Eine der am Häufigsten vorkommenden peripheren Lähmungen (aufgrund der anatomischen Lage)
- Geschädigte Nerven: N. peronaeus communis oder einer seiner distalen Äste N. peronaeus profundus o. N. peronaeus superficialis
- Oder Schädigungen des spez. Anteils des N. ischiadicus, N. Plexus lumbosacrlis sowie Läsionen der Zwischenwirbelscheiben im Bereich L4-S3
- Ungünstige anatomische Lage des N. peronaeus communis und seiner distalen Äste
- Meist erworbene Lähmung durch Druckschäden oder Traumen in Höhe des Wadenbeinköpfchens (Gips, orth. Apparate, Quetschungen, Frakturen, o.ä.)
- Multiple Sklerose
- Poliomyelitis
- Bandscheibenprolaps im dorsalen Bereich zwischen L$.S§. (vertebrale Schädigung)
- Ödematöse Schwellung nach z.B. Wirbelsäulen-OP
- Toxische Ursachen (Medikamente, Gifte)
- Läsionen des N. ischiadicus durch Träume, Druckschäden o. Injektionsschäden
- Ruptur des Lig. collaterale fibulare
Erscheinungsbild
Merksatz:
- Ausmaß der Erscheinung ist abhängig vom Ausmaß und von der Lokalisation der Nervenschädigung
- Reicht von leichten Lähmungserscheinungen bis zum völligem Innervationsverlust
- Erste Erscheinungen nach einem Apoplex (Schlaganfall)
Motorische Verluste/N. peronaeus prof.
- M. tibialis anterior
- M. extensor digitorum longus
- M. extensor hallucis longus
Motorische Verluste/N. peronaeus suoerf.
- M. peronaeus longus
- M. peronaeus brevis / tertius
- Es kommt zur Supinationsstellung bei schweren Fällen zum Lähmungsklumpfuß
Sensibilitätsstörung
- N. peronaeus prof. : zwischen 1. und 2. Zehe
- N. peronaeus superf.: lateraler Unterschenkelbereich und Fußrücken
- N. peronaeus comm.: s.o. und im Bereich des Wadenbeinköpfchens
Vegetative Störung
- Störungen im Bereich der Hauttrophik
- Schweißsekretion
- Durchblutung (Weit- und Engstellung der Gefäße)
Gangbild
- 1. sog. "Steppergang" - Knie wird beim Schritt höher gehoben und gebeugt als normal, um das Schleifen der Fußspitze auf dem Boden zu vermeiden (Muskulatur ermüdet schneller)
- Fußspitze erreicht zuerst den Boden
- Gefahr von vermehrtem lateralem Umknicken aufgrund der Supinationsstellung
- 2. das Bein wird, fast gestreckt, im Halbkreis nach vorne "geschwenkt" um das Schleifen der Fußspitze auf dem Boden zu vermeiden (meist bei Damen)
Versorgungsprinzipien
- Freie Dorsalextension
- Gesperrte Plantarflexion
- Geringes Gewicht (wg. verminderter Leistung)
- Vorhandene Aktivität der Muskulatur bewahren
- Kosmetisch unauffällig
Versorgung
- Schockabsorbierende Fersenpolster als Gelenkschonende Prophylaxe
- Stärke der Versorgung ist abhängig vom Ausmaß der motorischen Innervationsverluste und der Sensibilitätsstörung
- Vermeidung von scharfen Kanten, Scheuerbewegungen und Druckspitzen im Unterschenkel und Fußrückenbereich
- besonders gefährlich wegen der mögliche Sensibilitätsstörungen
- regelmäßige Kontrolle und Aufklärung des Patienten
konservative Versorgung
- Physiotherapeutische Maßnahmen zur Kräftigung der noch vorhanden agnostischen Muskulatur
- Krankengymnastik zum Erhalten der Gelenkbeweglichkeit
- Elektrische Muskelstimulation um Atrophien zu verhindern und damit verbundene Beschwerden
Orthopädieschuhtechnische Versorgung
1. Orthesen
- Fußhebermanschetten: nur bei leichten Paresen und noch ausreichenden Muskelkräften (Spitzfußredressionsstrumpf)
- Nachtlagerungsschienen zur Kontrakturvermeidung: Orthesenversorgung bedarf einer Schuhzurichtung
2. Konfektionsschuh/ Schuhzurichtungen
- Verkürzungsausgleiche
- Durchschwingmöglichkeiten schaffen
- Puffer- und Rollabsätze
- Statische Maßnahmen (Bodenverbreitungen)
- Veränderung der Verschlusstechnik o. des Schnürteiles
- Einarbeiten von Fußbettungen
- Dynamische Maßnahmen (z.B. Rollentechniken, Schuhranderhöhungen etc.)

- Halbschuh mit Einbauteil
- Halbschuh mit integrierter Peronaeuskappe
- Kleiner Lähmungsstiefel nach Kraus (ca.16cm-alt)(15cm laut PG 31)
- Hoher Lähmungsstiefel (22-25 cm hoch)
- Spezielle Schuhkonstruktionen, z.B. Bade-, Sport- oder Hausschuhe etc.
Innenschuh
- Innenschuhe mit Stretchgummi
- Innenschuhe in Ledertechnik
- Innenschuhe in Gießharztechnik
- Immer das Ausmaß der Schädigungen berücksichtigen und daraus Rückschlüsse für die Versorgung gewinnen
Operative Versorgung
- Bei primärer Läsion operatives Zusammenfügen der Nervenenden
- Stabilisierung der betroffenen Gelenke durch Arthrodesen
- Sehnen Ansatzverlagerung um annähernd ein sog. Muskelgleichgewicht zu erreichen
- Knochenspanverpflanzungen
Anhang: der Klotzleisten
- Fertigen eines Peronaeus Lähmungsleisten aus einem ,,Holzklotz´´
- Übung zum Thema Leistenbau in punkto Formgebung, Proporrtion
Leistenbauprinzipien (speziell für den Klotzleisten)
- Stellung sollte bedarfsgerecht in Vorhaltestellung auf den Leisten übertragen werden
- Deutsche Fußsohlenplastik nur dann einarbeiten wenn wirklich nötig (andeuten)
- In möglichst geringer Absatzsprengung einstellen und Gipsen (etwa 1 cm, gesperrte Plantarflexion)
- Vorfuß in Pronationsstellung Gipsen um der Supination entgegenzuwirken (Pronationskeil verwenden)
2. Tibialisparese
- Seltener vorkommende Lähmung
- Schädigung des N. tibialis oder seiner distalen Äste N. plantaris medialis und lateralis
- Oder Schädigung der entsprechenden Anteile des N. ischiadicus oder Schädigungen des Wirbelkanals im BereichL4-S3
Ursachen
- Selten angeboren
- Traumen unterschiedlichster Art
- Apoplex
- Multiple Sklerose
- Poliomyelitis
- Bandscheibenprolaps
- Ödeme nach Bandscheiben – OP
- Injektionsschäden
- Medikamentöse bzw. toxische Ursachen
Erscheinungsbild
Ist immer abhängig vom Schweregrad der Nervenschädigung
Motorische Ausfälle
- M. triceps surae
- M. flexor hallucis longus
- M. flexor digitorum longus
- M. tibialis posterior
- Kurze Flexoren, Adduktoren, Abduktoren
Es besteht die Gefahr von Gelenkkontrakturen
- Durch den Zehenbeugeverlust kann es bis zum, für diesen Lähmungstyp charakteristischen, Lähmungshackenfuß kommen.
Sensible Ausfälle
- Ausfälle im dorsolateralm Unterschenkelbereich (hinten-außen)
- Fast unter der gesamten Fußsohle
Es besteht die Gefahr von Druckschäden (z.B. Ulcerationen)!
Vegetative Ausfälle
- Störung aller vegetativen Nervenqualitäten
- Hauttrophik
- Durchblutung (Feindurchblutung)
- Schweißsekretion
Gangbild
- Stelzengang (die Wadenmuskulatur ist nicht in der Lage ausreichend Kraft für die Abstemmphase aufzubringen)
- Gesamte Körperlast liegt auf der Ferse
- Abwicklung nicht möglich, deshalb Beckenkippung und Verdrehung bei jedem Schritt zur Kompensation
- Verkürzte Schrittlänge
Versorgungsprinzipien
- Freie Plantarflexion
- Gesperrte Dorsalestension
- Noch aktive Muskelkräfte unterstützen
- Geringes Gewicht (weniger Muskelkraft)
- Kosmetisch unauffällig
- Verlängerung des hinteren Hebels
Versorgung
Konservativ
- Physiotherapeutische Maßnahmen um der Bildung des Hackenfußes entgegenzuwirken
- Aktive Muskelkräfte stärken und sie im Laufprozess mitwirken lassen

- Mittelfußrolleadäquat angepasst auf die Beweglichkeit des OSG
- Stabilisierende Maßnahmen im Schaftbereich (auch Lasche)
- Kosmetischer Ausgleich des Wadenumfanges
- Aufklärung des Patienten in Punkto Sensibilitätsstörungen
- Innenschuhtechnik verschiedener Art
Operativ
- Zusammennähen der Nervenenden bei z.B. Riss der Nervenbahnen
- Arthrodesen in günstiger Versorgungsstellung
- Knochenspanverpflanzen um Gelenkbeweglichkeit zu sperren
- Muskelansatzverlagerungen
3. Peronaes- und Tibialislähmung in Kombination
- Man spricht vom sog. "Dreschflegelfuß"
- Meisten Nervenläsion oberhalb des Knies oder im Bereich der Wirbelsäule
- Völlig innervationsloser Fuß und statisch sehr instabil
- Meinst auch mit sensiblen und vegetativen Störungen
Versorgung
- Die Gelenkverbindungen lockern sich bis hin zur Subluxation
- Muss daher mit Feststell-Abrollschuh versorgt werden
- OP: Arthrodese